Die unzähligen kleinen, bronzene Götterfiguren aus Ägypten sind ein begehrtes Sammelgut in den Museen der Welt. Dank neuster Untersuchungsmöglichkeiten befasste sich die interdisziplinäre Forschung nun in jüngerer Zeit erstmals ausführlich mit diesen Bronzen, mit teils sensationellen Ergebnissen, sowohl zu deren antikem Umfeld, als auch zu ihrer Herstellungstechnik.
Woher kommen die vielen Bronzen? Am Ende des Neuen Reiches kam es um 1100 v. Chr. zu einem Wandel im religiösen Weltbild. Nicht nur der König, auch gewöhnliche Sterbliche durften sich nun direkt an die Götter wenden. Mit Hilfe neuer Reproduktionstechniken konnte jeder eigene Götterfiguren in den großen Tempeln stiften, um sich bei den Göttern beliebt zu machen. Es kam zu einer Massenproduktion. Isis und Osiris waren im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit angekommen!
„Gegossene Götter“
Unter diesem Titel tourt eine Ausstellung durch die Museen Bonn, Hannover, Gotha und Leipzig. Es geht um Metallhandwerk und Massenproduktion von bronzenen Figuren, darüber hinaus um antike Reproduktion und Vervielfältigung von Bildern und Motiven in verschiedenen anderen Werkverfahren.
In der Bonner Ägyptischen Sammlung finden sich u. a. unbenutzte Gussformen für das Wachsausschmelzverfahren, die sogenannte „verlorene Form“, die im Arbeitsprozess zerstört worden ist. Mit modernen Computertechniken hat man das figürliche Innenleben dieser Raritäten visualisieren können. Eine dieser Rekonstruktionen ähnelt sogar einer Götterfigur aus der hannoverschen Kollektion.
Das Kopieren von Objekten für den Kult steht somit auch in technischer Hinsicht bereits in einer altägyptischen Tradition. Zudem sind bestimmte Statuentypen immer wieder kopiert worden. Die Zeit des Alten und des Mittleren Reiches (um 2500 v. Chr. und um 1900 v. Chr.) wurde später geradezu als Epochen der Klassik betrachtet. In der sogenannten „Saitischen Renaissance“ hat man sich bemüht, wieder an diese Epochen anzuknüpfen. Dieser Archaismus in der Kunst war ein ganz bewusster Akt eines Rückgriffes auf bewährte Vorbilder und Muster. Der Ägyptologe Jan Assmann erkennt darin die Folge einer Identitätskrise, ausgelöst durch die Herrschaft und Dominanz von Fremdvölkern über Ägypten. Doch nicht nur in Krisenzeiten war man bemüht, an die altbewährten Vorbilder anzuknüpfen und zu kopieren.
Ein unverkennbarer Proportionskanon lässt jeden, der altägyptische Kunst ein einziges Mal gesehen hat, sie sofort wiedererkennen. Jetzt werden einige sich fragen: ist das denn überhaupt Kunst, wenn alles so genau festgelegt wird? Die Reproduzierbarkeit altägyptischer Figuren mit festgelegtem Proportionskanon und mit Hilfe von Linien und Quadratnetzen steht ein moderner Kunstbegriff entgegen, der die Originalität eines Werkes bzw. einer Idee einschließt – und damit eine gewisse Einzigartigkeit des Werkes. Deswegen wird von modernen Kunsttheoretikern immer wieder behauptet, ägyptische Kunst sei keine Kunst im heutigen Sinn, sondern (reproduzierbare) Auftragsarbeit im Rahmen des Kults, ähnlich der sakralen mittelalterlichen Kunst.
Dem möchte ich zunächst entgegenhalten, dass ein Bildmotiv wie eine mittelalterliche Kreuzigungsszene zwar durchaus viele Male als Altarbild künstlerisch umgesetzt worden sein mag. Doch erkennen wir heute trotzdem an, wenn dies, wie z.B. bei Matthias Grünewald, künstlerisch auf eine herausragende Weise geschehen ist. In der Renaissance finden wir schließlich den Bruch hin zur Moderne, da der Künstler als schöpferisches Individuum nun in den Vordergrund tritt. Andererseits gibt es gerade hier das Problem der sogenannten Werkstattbilder. Es wird zu Recht die Frage gestellt, wieviel Anteil ein Meister an dem Werk, das ihm zugeschrieben wurde, in Wahrheit hatte? Oft stellte sich heraus, dass er ein Bild nur signiert haben mag.
Den ägyptischen Artefakten wurde von seinen Schöpfern im Altertum ein ästhetisch-künstlerischer Wert, den der Begriff „Maat“ mit einschließt, durchaus zugestanden, obwohl sie Vorbilder „imitierten“. Ein altägyptischer Künstler, der sein Metier beherrscht hat, war durchaus selbstbewusst, wie wir der Stele des Irtisen sehr schön entnehmen können:
„Ich bin wahrhaft ein Künstler, der in seiner Kunst versiert ist, einer, der hervortritt und an der Spitze steht durch das, was er gelernt hat. Ich kenne das Quadratnetz (zum Anbringen der Proportionen bei Vorzeichnungen), das Austarieren des Proportionskanons (zur Wiedergabe menschlicher Figuren), versenktes und erhabenes Reliefieren, wenn es (das Relief) hervorkommt und hineingeht, so dass der Körper an seinen (richtigen) Platz kommt. Ich kenne das gehen einer Männerfigur und das Kommen einer Frauenfigur…“ (nach Thomas Schneider, Die 101 wichtigsten Fragen – Das Alte Ägypten, S. 100)
Eine der herausragenden Ausnahmen stellt der Bildhauer Thutmosis dar, jener berühmte Künstler von Amarna, der in der Zeit Echnatons lebte und wohl mit einem Werkstattteam arbeitete. Sein einzigartiges künstlerisches Werk wurde durch die deutsche Grabung von Ludwig Borchardt bekannt. Borchardt entdeckte 1912 im Haus des Thutmosis u.a. die berühmte Büste der Nofretete, jene einmalige Plastik der antiken Weltkunst.
In der von unbekannten Meistern gefertigten Goldmaske von Tutanchamun kulminiert das Spannungsfeld von göttlich-überzeitlichem Ausdruck eines Antlitzes einerseits – eine klassisch-ägyptische und vom Jenseitsglauben inspirierte Stilisierung, wie sie seit der berühmte Sitzstatue von König Chefren (um 2550 v. Chr.) aus der Zeit der großen Pyramidenbauer grundgelegt und immer wieder nachgeahmt worden ist – und dem feinen Zeitstil der späten Phase der Amarnakunst andererseits, kenntlich an einem stark femininen Einschlag. Dies macht die goldene Maske des jugendlichen Pharao zu einem wunderbaren wie einzigartigen Kunstwerk!
Herzlichst,
Euer
Dr. Wolfgang Wettengel
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