Nicholas Reeves

Sehen wir demnächst wieder „wunderbare Dinge“?

Seitdem der britische Ägyptologe Nicholas Reeves im vergangenen August seine Theorie publiziert hat, dass sich hinter den Mauern der bemalten Nord- und Westwand in der Sargkammer von Tutanchamun jeweils ein vermauerter Durchgang befinden soll, herrscht weltweit helle Aufregung. Reeves‘ Vermutung basiert auf der Auswertung von Laserscans, die Factum Arte vor 12 Jahren in der Sargkammer gemacht hat, um ein Replikat der Kammer mit ihrer gefährdeten Wandmalerei anzufertigen. Das Spannende aber ist, dass Reeves hinter der Nord- und Südwand die Bestattung von niemand Geringerem als der berühmten Königin Nofretete vermutet, der geheimnisvollen schönen Gemahlin des Ketzerkönigs Echnaton, deren Grab bislang nicht gefunden wurde. Nun wurden außer Infrarotaufnahmen gegen Ende November auch Messungen mit Bodenradar vorgenommen. Laut Minister Mamdouh Eldamaty vom Ägyptischen Antikendienst besteht eine Wahrscheinlichkeit von 90%, dass sich hinter den Wänden weitere Gänge und Kammern befinden!

Ich schließe mich der Vermutung einiger meiner Kollegen an, dass Tutanchamuns kleines Grab womöglich nur ein Notbehelf war, da der König noch vor der Vollendung seines eigentlichen Grabes verstarb. Dieses Grab wird im Westtal beim Tal der Könige vermutet. In ihm ließ sich der Nachfolger Eje bestatten, der diese Grabanlage vollendet haben könnte und dann für sich selbst nutzte. Damit stellt sich die Frage, welchen Zwecken die Grabanlage Tutanchamuns ursprünglich diente? War sie als nicht-königliche Anlage geplant, die evtl. sogar mehrere Personen aus dem Umfeld des Königs aufnehmen sollte? Bestattungen für mehrere hochrangige Personen der Amarnazeit, die das Privileg für ein Grab im Tal der Könige erhielten?

Reeves These wirft wieder eine Reihe von interessanten Fragen auf. Laut meinem Schweizer Kollegen Michael Habicht könnten außer Nofretete auch andere Personen aus dem Umfeld von Tutanchamun und seinem Vater Echnaton infrage kommen: Anchesenamun, die Tochter Echnatons und Gemahlin Tutanchamuns, oder Meritaton, eine weitere Tochter Echnatons, oder Kija, eine Nebenfrau des Königs – oder die mysteriöse Figur des Semenchkare, des Nachfolgers von Tutanchamun, über dessen Herkunft es nur Spekulationen gibt. Bislang sind unsere Kenntnisse über die kurze Spanne der drei bis vier Jahre, die zwischen der Regierungszeit von König Echnaton und Tutanchamun liegen, leider sehr bruchstückhaft, und das, obwohl wir es hier mit der bekanntesten Epoche in der ägyptischen Geschichte zu tun haben! Um diese Wissenslücken schließen zu können, bedarf es dringend neuer Funde, die uns genaue Auskunft über die historischen Ereignisse dieser umstrittenen und vieldiskutierten Epoche geben.

Nach sorgfältiger Auswertung aller Messungen und Untersuchungen soll es in diesen Wochen bald Gewissheit geben. Wir dürfen also gespannt sein! Vielleicht gibt es schon über Weihnachten oder zu Beginn des neuen Jahres eine Weltsensation. Es wäre eine erfreuliche Nachricht zum neuen Jahr, wenn wir, wie bei der Entdeckung Tutanchamuns im Jahr 1922 mit Howard Carter wieder sagen könnten: „Wir sehen wunderbare Dinge!“

In diesem Sinne wünsche ich euch ein besinnliche wie auch spannende Weihnachtszeit!

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

 

El-Ezaby

Lob der Kopie III: Kopieren für die Ewigkeit

Kopien sind heute in der Wissensvermittlung vielseitiger einsetzbar als Originale. In Ausstellungen lässt sich mit ihrer Hilfe, kombiniert mit modernen Medien, ein nach der Bergung verlorener Fundzusammenhang wieder rekonstruieren. Durch Kopien und durch verschiedene, inhaltlich aufeinander abgestimmte Informationssysteme kann jetzt Geschichte durch Geschichten spannend erzählt und authentisch dargestellt werden. Dadurch wird ein breites Publikum erreicht. Wenn, wie geschehen, seitens einer Museumsleitung öffentlich behauptet wird, der Reiz unserer „Repliken –Ausstellung“ sei ungefähr so groß, wie wenn man berühmte Gemälde abfotografieren und an die Wand hängen würde, so negiert dies den von renommierten Ägyptologen längst anerkannten anspruchsvollen wie wissenschaftlichen Hintergrund der Ausstellung, und sie ignoriert die verschiedene Funktion von Original und Replik. Durch unsere Ausstellung werden viele junge Menschen für das Fach Ägyptologie und für die Originale in den Museen begeistert, wie wir mit großer Freude sehen. Dieses Interesse am Alten Ägypten wird mit solcher Art Kritik nicht auf Originale „umgeleitet“, im Gegenteil, es wird schlicht diskreditiert.

Doch unseren Kopien sind mehr als nur Werkzeuge der Wissensvermittlung. Sie stammen selbst aus Künstlerhand. Die Objekte von Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze sind eine schöpferische Eigenleistung von zeitgenössischen ägyptischen Kunsthandwerkern.

In einer uralten Tradition: Der Künstler Mostafa el-Ezaby

Dr. Mostafa el-Ezaby, Künstler aus Kairo und Schöpfer unserer Objekte, war schon als Kind vom Grab von König Tutanchamun begeistert. Als Künstler und als Ägypter sieht er in dem weltberühmten Grabschatz eine Herausforderung, die für ihn mit entscheidenden Fragen begann: Sind wir wirklich die Nachfahren der alten Ägypter? Können wir als Künstler von heute von uns sagen, dass wir in der Tradition der altägyptischen Kunsthandwerker stehen? Sind wir heute überhaupt noch in der Lage, dieses hochkarätige Erbe der Pharaonen anzutreten. Er nimmt diese Herausforderung an, indem er sich an die Arbeit macht und Meisterwerke aus dem Grabschatz kopiert.

Ezaby hat sich dabei intensiv mit seinen Vorfahren auseinander gesetzt und mit seinem Werk auch eine wichtige kulturhistorische Frage beantwortet. Er hat jedoch die Kunstwerke seiner Vorfahren so umgesetzt, dass sie nicht den heutigen kritischen Zustand der Originale wiedergeben. Bei den großen Schreine hieße das nämlich, dass der vergoldete Stuck der Außenschicht vom hölzernen Gehäuse während der Ausstellungen sukzessive abfallen müsste, so wie es derzeit bei den Schreinen im Ägyptischen Museum der Fall ist. Unsere Schreine aber sehen so aus, als wären sie eben aus der Werkstätte der altägyptischen Kunsthandwerker gekommen!

Ezaby hat seine Kunstwerke mit traditionellen Materialien, aber auch mit Mitteln unserer modernen Zeit umgesetzt, ähnlich wie bei der Wiedergabe berühmter Musikstücke von berühmten Klassikern. Wenn jemand z.B. Mozart oder Beethoven spielt, so kopiert er einerseits ein Musikstück eines berühmten Klassikers, andererseits, aber gibt er auch immer seine persönliche Interpretation hinzu. Dabei gelang Mostafa el-Ezaby die Nachbildung der goldenen Maske so gut, dass sie gegenüber dem Original sprichwörtlich täuschend echt erscheint. Der Künstler hatte seit längerem detaillierte Studien über das weltberühmte Stück gemacht, er ist als erster Proportionen und geometrischen Fixpunkten auf die Spur gekommen, die der oder die geheimnisvollen alten Meister an dieser Plastik anwendeten. Die Replik der Goldmaske ist Ezaby so gut gelungen, dass man damals bei der Ausfuhr am ägyptischen Zoll sofort das Ägyptische Museum in Kairo angerufen hat und sich dort erkundigte, ob denn die Maske noch an ihrem Platz sei! Man vergisst hier schon mal, dass man vor einer Kopie steht. Alle Repliken unserer Ausstellung sind zudem durch die zahlreichen Ortswechsel sehr großen Belastungen ausgesetzt, denen Originale nicht standhalten würden, so dass die Materialien robuster sein müssen als es bei Originalen oft der Fall ist. Nach jedem Transport sowie Auf- und Abbau müssen immer wieder Objekte repariert werden.

Die Zerstörung des Originals

Als im Jahr 2011 in Ägypten die Revolution ausbrach, nutzten Plünderer das Chaos, um im Ägyptischen Museum Kunstschätze zu stehlen. Dabei wurde eine der kostbaren vergoldeten Götterfiguren des Götterensembles aus den kleinen schwarzen Schreinen unwiederbringlich zerstört. Es handelt sich um die goldene Figur des Gottes Menkeret, der König Tutanchamun trägt. Diese auffallende Götterfigur ist als Rundplastik einzigartig in der gesamten ägyptischen Kunst. Bei Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze ist diese Figur noch als gute Kopie zu sehen!

In der Zwischenzeit ist es leider zu weiteren schrecklichen Ereignissen im Nahen Osten gekommen. Fanatiker sind im Moment dabei, Menschen zu töten und antike Stätten komplett auszulöschen. Der Verlust an Weltkulturerbe scheint unermesslich. Manchmal denke ich, künftige Generationen werden froh um jede Kopie eines zerstörten Originals sein, ähnlich wie es beim Nibelungenlied der Fall ist. Davon existiert nämlich nur noch eine schon vor langer Zeit angefertigte Kopie, die wegen ihres Alters und ihrer Einmaligkeit heute fast wie ein Original behandelt wird.

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Wolfgang Wettengel

Lob der Kopie II: Kopieren für die Ewigkeit

Die unzähligen kleinen, bronzene Götterfiguren aus Ägypten sind ein begehrtes Sammelgut in den Museen der Welt. Dank neuster Untersuchungsmöglichkeiten befasste sich die interdisziplinäre Forschung nun in jüngerer Zeit erstmals ausführlich mit diesen Bronzen, mit teils sensationellen Ergebnissen, sowohl zu deren antikem Umfeld, als auch zu ihrer Herstellungstechnik.

Woher kommen die vielen Bronzen? Am Ende des Neuen Reiches kam es um 1100 v. Chr. zu einem Wandel im religiösen Weltbild. Nicht nur der König, auch gewöhnliche Sterbliche durften sich nun direkt an die Götter wenden. Mit Hilfe neuer Reproduktionstechniken konnte jeder eigene Götterfiguren in den großen Tempeln stiften, um sich bei den Göttern beliebt zu machen. Es kam zu einer Massenproduktion. Isis und Osiris waren im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit angekommen!

„Gegossene Götter“

Unter diesem Titel tourt eine Ausstellung durch die Museen Bonn, Hannover, Gotha und Leipzig. Es geht um Metallhandwerk und Massenproduktion von bronzenen Figuren, darüber hinaus um antike Reproduktion und Vervielfältigung von Bildern und Motiven in verschiedenen anderen Werkverfahren.

In der Bonner Ägyptischen Sammlung finden sich u. a. unbenutzte Gussformen für das Wachsausschmelzverfahren, die sogenannte „verlorene Form“, die im Arbeitsprozess zerstört worden ist. Mit modernen Computertechniken hat man das figürliche Innenleben dieser Raritäten visualisieren können. Eine dieser Rekonstruktionen ähnelt sogar einer Götterfigur aus der hannoverschen Kollektion.

Das Kopieren von Objekten für den Kult steht somit auch in technischer Hinsicht bereits in einer altägyptischen Tradition. Zudem sind bestimmte Statuentypen immer wieder kopiert worden. Die Zeit des Alten und des Mittleren Reiches (um 2500 v. Chr. und um 1900 v. Chr.) wurde später geradezu als Epochen der Klassik betrachtet. In der sogenannten „Saitischen Renaissance“ hat man sich bemüht, wieder an diese Epochen anzuknüpfen. Dieser Archaismus in der Kunst war ein ganz bewusster Akt eines Rückgriffes auf bewährte Vorbilder und Muster. Der Ägyptologe Jan Assmann erkennt darin die Folge einer Identitätskrise, ausgelöst durch die Herrschaft und Dominanz von Fremdvölkern über Ägypten. Doch nicht nur in Krisenzeiten war man bemüht, an die altbewährten Vorbilder anzuknüpfen und zu kopieren.

Ein unverkennbarer Proportionskanon lässt jeden, der altägyptische Kunst ein einziges Mal gesehen hat, sie sofort wiedererkennen. Jetzt werden einige sich fragen: ist das denn überhaupt Kunst, wenn alles so genau festgelegt wird? Die Reproduzierbarkeit altägyptischer Figuren mit festgelegtem Proportionskanon und mit Hilfe von Linien und Quadratnetzen steht ein moderner Kunstbegriff entgegen, der die Originalität eines Werkes bzw. einer Idee einschließt – und damit eine gewisse Einzigartigkeit des Werkes. Deswegen wird von modernen Kunsttheoretikern immer wieder behauptet, ägyptische Kunst sei keine Kunst im heutigen Sinn, sondern (reproduzierbare) Auftragsarbeit im Rahmen des Kults, ähnlich der sakralen mittelalterlichen Kunst.

Dem möchte ich zunächst entgegenhalten, dass ein Bildmotiv wie eine mittelalterliche Kreuzigungsszene zwar durchaus viele Male als Altarbild künstlerisch umgesetzt worden sein mag. Doch erkennen wir heute trotzdem an, wenn dies, wie z.B. bei Matthias Grünewald, künstlerisch auf eine herausragende Weise geschehen ist. In der Renaissance finden wir schließlich den Bruch hin zur Moderne, da der Künstler als schöpferisches Individuum nun in den Vordergrund tritt. Andererseits gibt es gerade hier das Problem der sogenannten Werkstattbilder. Es wird zu Recht die Frage gestellt, wieviel Anteil ein Meister an dem Werk, das ihm zugeschrieben wurde, in Wahrheit hatte? Oft stellte sich heraus, dass er ein Bild nur signiert haben mag.

Den ägyptischen Artefakten wurde von seinen Schöpfern im Altertum ein ästhetisch-künstlerischer Wert, den der Begriff „Maat“ mit einschließt, durchaus zugestanden, obwohl sie Vorbilder „imitierten“. Ein altägyptischer Künstler, der sein Metier beherrscht hat, war durchaus selbstbewusst, wie wir der Stele des Irtisen sehr schön entnehmen können:

„Ich bin wahrhaft ein Künstler, der in seiner Kunst versiert ist, einer, der hervortritt und an der Spitze steht durch das, was er gelernt hat. Ich kenne das Quadratnetz (zum Anbringen der Proportionen bei Vorzeichnungen), das Austarieren des Proportionskanons (zur Wiedergabe menschlicher Figuren), versenktes und erhabenes Reliefieren, wenn es (das Relief) hervorkommt und hineingeht, so dass der Körper an seinen (richtigen) Platz kommt. Ich kenne das gehen einer Männerfigur und das Kommen einer Frauenfigur…“ (nach Thomas Schneider, Die 101 wichtigsten Fragen – Das Alte Ägypten, S. 100)

Eine der herausragenden Ausnahmen stellt der Bildhauer Thutmosis dar, jener berühmte Künstler von Amarna, der in der Zeit Echnatons lebte und wohl mit einem Werkstattteam arbeitete. Sein einzigartiges künstlerisches Werk wurde durch die deutsche Grabung von Ludwig Borchardt bekannt. Borchardt entdeckte 1912 im Haus des Thutmosis u.a. die berühmte Büste der Nofretete, jene einmalige Plastik der antiken Weltkunst.

In der von unbekannten Meistern gefertigten Goldmaske von Tutanchamun kulminiert das Spannungsfeld von göttlich-überzeitlichem Ausdruck eines Antlitzes einerseits – eine klassisch-ägyptische und vom Jenseitsglauben inspirierte Stilisierung, wie sie seit der berühmte Sitzstatue von König Chefren (um 2550 v. Chr.) aus der Zeit der großen Pyramidenbauer grundgelegt und immer wieder nachgeahmt worden ist – und dem feinen Zeitstil der späten Phase der Amarnakunst andererseits, kenntlich an einem stark femininen Einschlag. Dies macht die goldene Maske des jugendlichen Pharao zu einem wunderbaren wie einzigartigen Kunstwerk!

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Mashup

Lob der Kopie I: Kopieren für die Ewigkeit

Letzten Donnerstag habe ich in unserer Ausstellung einen interessanten Vortrag von Dirk von Gehlen zu seinem Buch „Mashup – Lob der Kopie“ gehört. Dirk von Gehlen leitet bei der Süddeutschen Zeitung die Abteilung Social Media/Innovation, und da unsere Ausstellung ausschließlich Kopien aus den Grabschatz Tutanchamuns zeigt, hat mich das Thema natürlich sehr interessiert. Kopien sind, so Dirk von Gehlen, bei weitem keine Erfindung der digitalen Welt. Geht man vom Alten Testament aus, so ist bereits der Mensch selbst als Ebenbild Gottes eine Kopie des göttlichen Schöpfers!

Nach dem Vortrag frage ich mich als Ägyptologe natürlich, ob auch die alten Ägypter bereits Kopien kannten, und wenn ja, warum hat man im Altertum im Land am Nil kopiert. Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns etwas mit der Kunst der Ägypter beschäftigen. Im Alten Ägypten standen Kunst und Künstler im Auftrag des Kults. Ähnliches kennen wir aus der christlichen Kunst, die über viele Jahrhunderte bis weit in die Neuzeit hinein das künstlerische Schaffen des Abendlandes geprägt hat. Kunst im Mittelalter war der Darstellung der Ideen Gottes verpflichtet. Der Künstler war lediglich das ausführende Medium, durch welche die ewige, natürliche Ordnung der Dinge sichtbar gemacht wird. Daher kann laut Ansicht von modernen Kunsttheoretikern im Mittelalter weder von einer Autonomie der Kunst noch von dem Eigentum des Künstlers an seinem Werk gesprochen werden. Diese Situation ändert sich in der Zeit der Renaissance, in der die Meister eines Werkes mehr und mehr hervortreten.

In Ägypten werden in der Kunst durch die strikte Einbindung in den Kult, genauer: in den Götter- und Totenkult, stetig wiederkehrende Bildmotive hervorgebracht. Sie sollen, ähnlich wie in der mittelalterlichen Kunst, Symbole und Bilder der Ewigkeit und der göttlichen Ordnung abbilden. Dies geschieht im Rahmen des altägyptischen Begriffes der „Maat“. Maat bedeutet so viel wie göttliche Welt-Ordnung, Richtigkeit. Die ägyptischen Motive der Bilder-, Statuen- und Reliefkunst sind somit keine Erfindung ihrer Hersteller. Sie müssen einer überzeitlich gültigen Maat entsprechen. Trotzdem ist natürlich der jeweilige Zeitstil erkennbar, der den Kunstwerken einen ganz besonderen Reiz verleiht. Und selbstverständlich gibt es „Qualitätsunterschiede“!

Ramses vierfach

Wer möglichst viele Stauen von seiner Person besitzt, und wessen Namen auf Statuen und in Inschriften existiert, lebt. Ramses II. sitzt seit 3.250 Jahren in vierfacher Ausführung als 21 Meter große Kolossalstatue am Eingang des berühmten Felsentempels von Abu Simbel. Es ist jenes Heiligtum, das vor etwa einem halben Jahrhundert fast im Stausee von Assuan untergegangen wäre und mit großem internationalem Aufwand gerettet werden musste. Diese Aktion führte letztlich zu einer weltweiten Berühmtheit des Königs.

Eine der beiden linken Figuren an der Tempelfassade von Abu Simbel wurde bereits im Altertum durch ein Erdbeben zerstört. Die vierfache Ausfertigung bzw. Präsenz von Ramses in seinen über 20 m hohen Königsstatuen ist damit nicht nur eine Verstärkung der mythischen Präsenz seiner königlichen Macht – die Vervierfachung hat sich ganz praktisch als Sicherung für die Ewigkeit herausgestellt. Dies ist ein Beispiel von vielen im ägyptischen Statuenkult. Nicht nur Ramses II. ist dafür bekannt, dass er Statuen seiner selbst in Serie anfertigen ließ. Auch der in Prunk und Pracht regierende König Amenophis III., der Großvater von Tutanchamun, ließ ganze Serien von Statuen aufstellen. Durch Kopieren haben ägyptische Könige das erreicht, was sie wollten: Unsterblichkeit! Hätten die Ägypter die heutige Technik des (Stein-)Abgusses für Großplastiken gekannt, sie hätten sie mit Sicherheit angewendet! Vielleicht würden wir heute dann nicht nur eine Fülle an Kopien einfacher Kunstwerke haben, sondern auch einiges an Meisterwerken ägyptischer Kunst, auch von heute mehr erhaltenen Werken, weil deren Originale irgendwann verloren gegangen oder zerstört worden sind.

Kopieren von altägyptischen Kunstwerken ist somit durchaus im Sinne der altägyptischen Erfinder. Es ist vom Standpunkt der Ewigkeit geradezu erwünscht! Die Ägypter bekräftigen zudem in den über Jahrhunderte in Tempelschulen immer wieder neu kopierten Lehren, wie wichtig es ist, altenehrwürdige Vorbilder zu achten und das Gute, das sie für das Land gebracht haben, zu wiederholen. Denn nur so bleibt die Welt im Gleichgewicht.

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Rosetta

Vor 216 Jahren: Die Entdeckung des Rosettasteins

Am 15. Juli des Jahres 1799, vor genau 216 Jahren, stieß der Offizier Pierre Bouchard durch puren Zufall auf diesen Stein, als er während des Ägypten-Feldzuges von Napoleon Bonaparte im Nildelta bei der Stadt el-Raschid – auch Rosette oder Rosetta genannt – mit Soldaten eine Festungsanlage bauen ließ. Die Inschriften darauf lieferten den Schlüssel zur Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphenschrift. Da es sich um das bedeutendste Dokument der frühen Ägyptologie handelt, zeigen wir eine Kopie des Steines gleich zu Beginn unserer Ausstellung und erklären auf einer anschaulichen Grafik, wie die Entzifferung funktioniert.

Der Stein hatte gleich in den ersten Jahren nach seiner Entdeckung eine bewegte Geschichte. Nach der schweren Niederlage der Truppen Napoleons gegen die Engländer im Jahr 1801 musste er den Engländern übergeben werden, zusammen mit zahlreichen Altertümern, welche die Gelehrten der Napoleon-Expedition während des dreijährigen Ägypten-Feldzuges gesammelt hatten. Französische Gelehrte konnten in aller Eile noch eine Abschrift der drei Inschriften des Steins anfertigen. Heute befindet sich der Rosettastein im British Museum in London. Letztes Jahr, anlässlich des 215. Jahrestages seiner Entdeckung, mehrten sich wieder die Stimmen in Ägypten, die eine Rückgabe des Steins verlangten.

Sein Text enthält ein Priesterdekret zu Ehren von König Ptolemaios V. aus dem Jahr 196 v. Chr. Dieses Dekret wurde in zwei Sprachen abgefasst, die in drei verschiedenen Schriftarten wiedergegeben werden, und das war die Sensation! Die obere Inschrift ist nämlich in hieroglyphisch eingemeißelt. Darunter befindet sich derselbe Text in ägyptisch-demotisch. Demotisch war zur Zeit von Ptolemäus V. die Alltagsschrift der altägyptischen Verwaltung. Der dritte Text unten enthält eine griechische Übersetzung für die Oberschicht der Griechen, die Ägypten zu dieser Zeit beherrscht hat. Weil das Altgriechisch nie verloren ging, lieferte der Stein von Rosetta erste Ansätze zur Entzifferung der längst vergessenen Hieroglyphen.

Der englische Physiker Thomas Young machte sich 15 Jahre nach der Entdeckung daran, die Inschrift auf dem Stein zu entziffern. Es gelang ihm, einige Königsnamen auf dem Stein zu entschlüsseln. Aber ein junger Franzose war erfolgreicher. Sein Name: Jean-François Champollion, ein begabtes Sprachengenie. Er erhielt schon mit 18 Jahren eine Professur für alte Sprachen in Grenoble. Champollion studierte diese Abschrift und konnte als 31 Jähriger im Jahre 1822 seine ersten Ergebnisse in der Akademie in Paris vorstellen. Er entzifferte problemlos die Namen von ägyptischen Königen und erkannte die Bedeutung vieler weiterer Hieroglyphen. Diese überragende Leistung bedeutete die Geburtsstunde der Ägyptologie. Hundert Jahre später sollte Howard Carter das Grab Tutanchamuns entdecken!

Trotz seiner Erfolge stieß Champollion bei einigen Sprachforschern zunächst auf Kritik. Viele meinten damals noch, die Hieroglyphen seien stumme Symbole und wollten nicht an eine Schrift mit Lauten und Buchstaben glauben, die ganz ähnlich funktioniert wie unsere Schrift heute. Der große deutsche Gelehrte und Sprachwissenschaftler Wilhelm von Humboldt (* 22. Juni 1767; † 8. April 1835), der Bruder des weltberühmten Forschers Alexander von Humboldt, gehörte zu den Zeitgenossen, die Champollions Leistungen von Anfang an gewürdigt haben.

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Ägypten – (k)eine Hochkultur der Vergangenheit

Wo in der Welt, so frage ich, gab es mehr berühmte Persönlichkeiten als im Alten Ägypten? Namen wie der große Bauherr Ramses II., der Ketzerkönig Echnaton, und sein Vater, der glanzvoll regierende König Amenophis III. als Erbauer des Tempels von Luxor, oder Tutanchamun, sie sind heute bekannter denn je. Fast jedes Kind auf der ganzen Welt kennt sie. Damit haben die Pharaonen erreicht, was sie vor Jahrtausenden wollten: Unsterblichkeit!

Wie konnte es zu solch einer Berühmtheit kommen? Natürlich durch die Hinterlassenschaften dieser Herrscher, ihre Bauwerke und Denkmäler, wie man weiß. Ich meine, die Bekanntheit einiger dieser Namen dürfte aber weniger dem Geschichtsunterricht zu verdanken als der Filmbranche.

An Stoff aus dem Alten Ägypten fehlte es hier nie. Sei es der Grusel vor verfluchten Mumien, oder die weltberühmte Liebesgeschichte von Cäsar und Kleopatra, oder gar ein biblisches Thema wie die Geschichte von Moses, dem Prinzen von Ägypten – jeder kennt diese Geschichten aus den Traumfabriken der Filmindustrie, auch wenn er selbst nicht alle diese Filme gesehen hat.

Wer glaubt, heute sei das Thema „Ägypten“ für den Film ausgereizt, der irrt sich gewaltig. Das bekannte US-Monatsmagazin Vanity Fair glaubt vielmehr an einen neuen Trend und zählt gleich fünf weitere „amazing stories“ auf, die nach Meinung des Magazins für weiteren Stoff bestens geeignet wären: Da wäre z.B. Hatschepsut, die Frau auf dem Thron der Pharaonen voller Tatendrang, die vor 3500 Jahren eine gewaltige Handelsexpedition über das Meer Richtung Somalia geschickt hat. Ihr Name wurde von ihrem Stiefsohn Thutmosis III. von den Tempelwänden getilgt, aus politischen Gründen, die der Phantasie nach wie vor breiten Raum lassen. Oder der Aufstand der Menschen gegen die Götter, wie er im Buch von der Himmelskuh beschrieben wird, einen Mythos, den wir erstmals im äußeren Schrein von Tutanchamun finden können. Oder die Sängerin Nehemes-Bastet, deren Grab erst vor wenigen Jahren im Tal der Könige als KV64 entdeckt worden ist, wo man doch schon vor längerem glaubte, dass es dort nichts mehr zu entdecken gibt. Das Leben dieser Sängerin in der instabilen 3. Zwischenzeit dürfte voll von Unwägbarkeiten gewesen sein, so wie es bei vielen Sängerinnen auch heute der Fall ist. Oder eine Comedy in einem altägyptischen Beauty-Salon, gemixt mit Magie, aber genderpolitisch auf der Höhe der Zeit, versteht sich, da im Land der Pharaonen ja auch die Männer geschminkt waren und Frauen relativ hohe gesellschaftliche Positionen innehaben konnten. Oder schließlich eine Gerichtsserie um ein geheimnisvolles Orakel, das, integriert in ein detektivisches Netzwerk, finale Urteile zugunsten manch unschuldig Verdächtiger spricht.

Nun läuft in Amerika die monumental verfilmte Serie „Tut“ an, mit Ben Kingsley als Wesir Eje und Avan Jogia als jungen Pharao Tutanchamun.

Woher kommt dieser Trend in Richtung Vergangenheit, was wird sich daraus entwickeln? Ich bin mir sicher, man wird als Ursache gesellschaftliche Hintergründe erkennen, die unser sich rasch veränderndes Leben bestimmen, wobei viele nach Orientierung suchen. Heute wird dafür oft wenig angeboten. Filme können neugierig auf etwas machen und Trends setzen, auch wenn sie sehr oft nicht die Realität wiedergeben. Wir jedenfalls wollen diesen Trend nutzen und junge Besucher unserer Ausstellung spannend wie auf authentisch für das Alte Ägypten begeistern. Das alte Wunderland am Nil bietet vieles, was uns bis in die Gegenwart berührt und woraus wir etwas lernen können. In dieser Hinsicht ist Ägypten keine Hochkultur der Vergangenheit.

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Tutanchamun – Ein König bittet zur Konferenz in Kairo

Jedes Mal, wenn ich mit dem Taxi von Kairo Airport in die Stadt fahre, staune ich über die Wucht der Dynamik der Veränderungen, die diese riesige Stadt ergriffen hat. Dieses Mal hatte das neue Grand Egyptian Museum (GEM) zu einer Konferenz eingeladen. An die 50 Teilnehmer aus verschiedenen Ländern waren anwesend. Es ging um Tutanchamun, um neuere Forschungsergebnisse und um konservatorische Maßnahmen für den Grabschatz des Königs. Dr. Tarek Tawfik vom GEM und Dr. Jaromir Malek vom Howard Carter-Archive in Oxford, mit dem ich angereist bin, eröffneten am Sonntag die Vortagsreihe.

Auf der Agenda steht jetzt bereits, wie nach Fertigstellung des Museumsneubaus die fast 5300 Objekte aus dem Grabschatz Tutanchamuns möglichst heil vom alten Museum in der Stadt in den Neubau bei den Pyramiden umziehen sollen. Ein zentraler Punkt am Montag: die großen Schreine! Bei einem Besuch des Ägyptischen Museums am Dienstag konnten sich die Konferenzteilnehmer davon überzeugen, in welchem Zustand sich diese wunderbaren Objekte befinden. Die vergoldete Stuckschicht bröckelt an allen Ecken und Enden, da sich die Holzkonstruktion unter dem Stuck durch Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen permanent leicht bewegt. Jeder Transport, jede kleinste zusätzliche Bewegung kann dazu führen, dass weitere Teile der vergoldeten Stuckschicht abbröckeln. Spezielle konservatorische Maßnahmen müssen vor dem Transport ergriffen werden. Eines steht bereits fest: Die Überführung der goldenen Schreine wird zu einer gewaltigen Herausforderung für die Konservatoren des Museums und für internationale Spezialisten.

Gleich in der Nähe des Tutanchamun-Traktes treffe ich auf Restaurierungsarbeiten am alten Museumsbau. Mit finanzieller Unterstützung durch unsere Ausstellung „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“, des Auswärtigen Amtes und weiteren Sponsoren werden die mittlerweile mehrfach übermalten Wände wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt. Fein gemalte Ornamente aus der Zeit um 1900 werden nach Jahrzehnten wieder sichtbar. Zwischendurch war Entspannung angesagt. Am Dienstagabend trafen sich alle Teilnehmer zu einem Dinner auf einem Nilschiff bei gegenseitigem Kennenlernen und lockeren Gesprächen. Am Mittwoch konnten wir dann die neuen Laborräume und Magazine des GEM besichtigen. Die Einrichtung ist auf dem allerneuesten Stand!

Ein weiterer und sehr wichtiger Punkt der Konferenz war die Frage, wie die Objekte aus dem Grabschatz im neuen Museum präsentiert werden sollten. Das publikumsnahe Konzept der Ausstellung „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“ findet bereits seit geraumer Zeit großes internationales Interesse bei Museen. Mein Kollege Aris Legowski aus Bonn und ich legten am Donnerstag im Rahmen unserer Vorträge dar, inwieweit unser Ausstellungskonzept auch für das neue Museum interessant sein könnte. Außer Frage steht, dass die wertvollen Originale unter gänzlich anderen Bedingungen präsentiert werden müssen als Replikate und Rekonstruktionen. Doch könnte auch im neuen Museum die Möglichkeit genutzt werden, mit medialer Unterstützung die spannende Geschichte von Howard Carter und das Abenteuer des Schatzfundes stärker einzubinden. Hier stießen wir auf erfreuliche Resonanz bei den Teilnehmern. Dr. Tawfik hatte bereits zu Beginn der Konferenz einige wichtige Punkte dazu angesprochen.

Es ist für mich ein spannender Prozess zu beobachten, wie sich die Zusammenarbeit zwischen unserem Ausstellungsprojekt und den Museen weiterentwickelt. Die Konferenz selbst wird wegen dem erfreulichen Echo bei allen Teilnehmern im nächsten Jahr fortgesetzt.

Herzlichst,

Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Abenteuer Ägypten – Teil I: Der Beginn

„Ich will nun ausführlich von Ägypten erzählen, weil es mehr wunderbare Dinge und erstaunliche Werke enthält, als alle anderen Länder. Darum müssen wir es genauer beschreiben. Wie der Himmel in Ägypten anders ist als anderswo, wie der Strom anders ist als andere Ströme, so sind auch die Sitten und Gebräuche der Ägypter fast in allen Stücken denen der übrigen Völker entgegengesetzt.“

Sätze wie diese hätte auch ich in mein Tagebuch schreiben können, als ich zum ersten Mal nach Ägypten gereist bin. Doch der, der dies geschrieben hat, lebte bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. Er war Grieche, sein Name war Herodot. Heute würde man ihn als Geographen, Historiker und Völkerkundler bezeichnen. In seinen Historien berichtet er von ausgedehnten Reisen in das Schwarzmeergebiet, in den Vorderen Orient und in das Land am Nil. Mit Respekt widmet er sich einer Kultur, die für ihn bereits uralt war:

„Was nun die Ägypter selber betrifft, so pflegen die im bebauten Teile Ägyptens Wohnenden unter allen Völkern am meisten das Andenken an die Vergangenheit und sind bei weitem die geschichtskundigsten Menschen, die ich auf meinen Reisen besucht habe.“

Von Herodot erhalten wir auch Kenntnis über Sitten und Bräuche, über Götterverehrung, Priester und Kulte und über die Mumifizierung der Toten.

„Totenklage und Begräbnis gehen folgendermaßen vor sich: Wenn in einem Hause ein angesehener Hausgenosse stirbt, bestreichen sich sämtliche weiblichen Hausbewohner den Kopf oder auch das Gesicht mit Erde, lassen die Leiche im Hause liegen und laufen mit entblößter Brust, sich schlagend, durch die Stadt; alle weiblichen Verwandten schließen sich ihnen an. Auch die Männer schlagen sich und haben ihr Gewand unter der Brust festgebunden. Hiernach schreitet man zur Einbalsamierung der Leiche.“

Doch wissen wir heute, die Ägypter, die uns so viele großartige Totenstätten hinterlassen haben, haben keineswegs immer nur an Tod und Jenseits gedacht, wie wir wegen ihrem ausgeprägten Totenkult annehmen möchten. Herodot schildert uns dabei einen denkwürdigen Brauch, aus dem wir schließen können, wie gerne die Ägypter damals gelebt haben:

„Beim Gastmahl, wie es die Reichen halten, trägt nach der Tafel ein Mann ein hölzernes Bild einer Leiche, in einem Sarge liegend, herum. Es ist aufs Beste geformt und bemalt und eine oder zwei Ellen lang. Er hält es jedem Zechgenossen vor und sagt: ‚Den schau an und trink und sei fröhlich. Wenn du tot bist, wirst du, was er ist.‘ Solche Sitte haben sie bei ihren Gelagen.“

Dieser seltsam anmutende Brauch ermahnte jeden Gast, das Fest in vollen Zügen zu genießen. Ein ähnliches Figürchen als ägyptisches Memento Mori, wie hier von Herodot beschrieben, ist tatsächlich gefunden worden!

Musik und Tanz waren in Ägypten fester Bestandteil von religiösen Feiern. Davon künden vor allem die von Herodot geschilderten ausgelassenen Feste zu Ehren der in Katzengöttin Bastet in der Stadt Bubastis im Nildelta.

Herodot war wohl nicht der erste Europäer in Ägypten. Schon im Neuen Reich, etwa zur Zeit Tutanchamuns, gab es Handelsbeziehungen Ägyptens zum kretisch-minoischen Raum – und damit zu Europa. Mit Herodot aber beginnt der abendländische Tourismus am Nil, im alten Wunderland Ägypten, das schon die Griechen und dann die Römer in seinen Bann zog. Und wie die heutigen Touristen haben auch diese Menschen Graffiti an Tempelwänden hinterlassen.

Herzlichst,
Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

Die Entzifferung des Lebens

Vor wenigen Tagen ist es der Menschheit gelungen, eine Raumsonde nach gut zehn Jahren Flug durch das All punktgenau auf dem Kometen Tschurjumov Gerassimenko („Tschuri“) zu landen. Das Licht, das etwa 300 000 km pro Sekunde schnell ist, braucht bis dorthin knapp eine halbe Stunde. Dies bedeutet sage und schreibe eine Entfernung von etwa 500 Millionen Kilometern!

Der Name des Raumschiffes leitet sich ägyptischen Hafenstadt Raschid (Rosetta) her, die Landefähre wurde nach der Nilinsel Philae benannt. Diese beiden Namen sind nicht zufällig engsten mit der Entzifferung der Hieroglyphenschrift durch den jungen französischen Gelehrten Jean-François Champollion verbunden. Damit stieß er eine Tür auf, die uns den Weg zum Verständnis für das Alte Ägypten und seine grandiose Kultur endgültig öffnen sollte.

Die Entzifferung der Hieroglyphen gelang erst aufgrund eines Fundes. Im Jahr 1799 entdeckten Soldaten von Napoleon Bonaparte beim Bau einer Festungsanlage während ihres Ägyptenfeldzuges in Raschid den berühmten Stein von Rosette oder Rosettastein. Er enthält zwei ägyptische Inschriften, demotisch und hieroglyphisch, und dazu eine griechische Übersetzung. Ausgehend von den Königsnamen „Ptolemäus“ und „Kleopatra“, die auf diesem Stein stehen, entzifferte Champollion die ersten Schriftzeichen. Zur Kontrolle zog Champollion noch einen steinernen Obelisken heran, der auf der Nilinsel Philae gefunden wurde und dieselben Königsnamen in zwei Sprachen enthält. Dieser Obelisk befindet sich heute auf dem Gut Kingston Lacy in England.

Nachdem zu Beginn der 20. Jahrhunderts der alte Staudamm von Assuan gebaut wurde, versank die Insel Philae – und mit ihr der Tempel – im Wasser des Nils. Erst in den Sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde ein Rettungsplan für den Tempel in Angriff genommen. Man baute einen wasserdichten Damm um die Tempelanlage, zerlegte das Heiligtum komplett und verbrachte sämtliche Steinquader und Säulenteile an das Ufer des Nils. Inzwischen wurde mit vielen Tonnen Dynamit die Insel Agilkia, die Nachbarinsel von Philae, so zurechtgesprengt, dass sie in etwa die geologische Form der versunkenen Insel Philae erhielt. Nun konnte man dort den alten Tempel wieder neu aufbauen. Aufgrund dieser Zusammenhänge hat man die Landestelle der Raumsonde schließlich „Agilkia“ benannt.

Auf der neuen Rosetta-Mission ruhen sehr große Erwartungen. Man erhofft, dass auf den Kometen, die unsere Sonne umkreisen, Hinweise auf die Entstehung des Lebens zu finden sind. Ob die Mission zur Entschlüsselung des Lebens gelingen wird, so wie vor 200 Jahren das Abenteuer der Entschlüsselung der Hieroglyphenschrift gelang, dies wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Wir vom Tut-Team wünschen dem Unternehmen jedenfalls viel, viel Erfolg!

Herzlichst,
Euer
Dr. Wolfgang Wettengel

 

75 Jahre Griffith Institute: Wir gratulieren!

Im Jahr 1939 wurde das Griffith Institute in Oxford eröffnet. Zum 75 jährigen Jubiläum eröffnet nun am 24. Juli das mit dem Institut verbundene Ashmolean Museum eine für alle Tut-Freunde und Ägyptenfans interessante Sonderausstellung: Unter dem Titel „Discovering Tutankhamun“ werden archäologische Objekte aus der Amarnazeit präsentiert, also aus der Zeit Echnatons bis zum Anfang der Regierung von König Tutanchamun (ca. 1350 bis 1330 v. Chr.). Weiterlesen …

Esoterisches Ägypten (Teil II)

Am 6. März 1930, als Howard Carter immer noch dabei war, die über 5200 Objekte aus dem Grab Tutanchamuns zu bergen, schrieb ein berühmter deutscher Schriftsteller, der sich damals gerade in Luxor aufhielt, voller staunender Bewunderung:

„In den Märchen gibt es, Sonntagskindern erreichbar, Zauberwiesen auf dem Grunde tiefer Brunnenschächte. Solch ein Brunnenschacht ist die menschliche Vergangenheit, und solch eine Zauberwiese ist dies Land…“ Weiterlesen …

Neue Entdeckungen beim Tempel von Tutanchamuns Großvater

Tutanchamuns Großvater Amenophis III. war der Herrscher, der nach zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen in einer der glanzvollsten Epochen der ägyptischen Geschichte regierte. Nun haben Archäologen unter der Leitung der deutsch-armenischen Ägyptologin Hourig Sourouzian in seinem Totenheiligtum auf der Westseite von Luxor die Teile von zwei bisher unbekannten Steinstatuen von einst etwa 13,5 m Höhe aus hartem Quarzit ausgegraben. Weiterlesen …

Esoterisches Ägypten (Teil I)

Als der griechische Reisende Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. Ägypten bereiste, war er von diesem Land so tief beeindruckt, dass er darüber schrieb, hier sei alles völlig anders als in Griechenland und in all den anderen Ländern, die er bereits bereist hatte, viel wunderbarer und erstaunlicher! Weiterlesen …

Neues zu „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“

Wo über Jahrzehnte eines der bekanntesten deutschen Versandhäuser seinen Sitz hatte, eröffnete nun Tutanchamun zu einer weiteren Station der Tour seine Pforten. Bis 26. Januar 2014 gastiert die Ausstellung in Nürnberg, im ehemaligen Areal der traditionsreichen Fa. Quelle, an der Stadtgrenze zu Fürth. Die Reaktionen des Publikums und der Presse sind begeistert, was uns natürlich sehr freut! Weiterlesen …

Wächter der Seelen

Tiere spielen im Leben des Menschen seit Jahrtausenden eine viel größere Rolle als uns bewusst ist. Einst umgaben sie uns nicht nur im Alltag, sondern auch in der Sphäre des Überirdischen. Den alten Ägyptern erschien es sehr wichtig, zahlreiche Gottheiten in Tiergestalt darzustellen. Im Kult konnten Tiere sowohl verehrt, gejagt oder geopfert werden. Weiterlesen …

Der edle Förderer der Ägyptologie – Lord Carnarvon zum 90. Todestag

Es gibt manchmal merkwürdige Ereignisse. Als wir vor Monaten unsere First-Friday – Reihe mit den Vorträgen geplant hatten, schlug mir Helge Kranz als Termin für meinen Vortrag über den „Fluch des Pharao“ den 5. April vor. Dieses rein zufällig von Helge gewählte Datum war ein echter Volltreffer! Denn Helge wusste nicht, dass es sich just um den 90. Todestag von Lord Carnarvon handeln sollte. Weiterlesen …

Eindrücke aus Berlin

Nach langer Suche nach einem Ausstellungsort von geeigneter Größe war es soweit: „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“ konnte nun endlich in Berlin eröffnen. Da derzeit im Ägyptischen Museum dieAusstellung „Im Licht von Amarna“ läuft, ergibt sich ein großartiger Synergieeffekt, der sicher viele Ägyptenbegeisterte nach Berlin ziehen wird. Weiterlesen …

90 Jahre Entdeckung des Grabes von Tutanchamun – Zur Öffnung der Sargkammer am 16. Februar 1923: Das Geheimnis der goldenen Wand

Nach der Entdeckung des Grabes von Tutanchamun begann Howard Carter sofort den Druck der enormen Verantwortung zu erahnen, die eine sachgemäße Bergung jahrtausendealter Objekte nach sich zog. Niemand hatte bislang ein Unternehmen dieser Dimension in Angriff genommen. Allein die Restaurierungsarbeiten an den hochempfindlichen Funden aus der Vorkammer waren ungeheuer aufwändig. Weiterlesen …