Letzten Donnerstag habe ich in unserer Ausstellung einen interessanten Vortrag von Dirk von Gehlen zu seinem Buch „Mashup – Lob der Kopie“ gehört. Dirk von Gehlen leitet bei der Süddeutschen Zeitung die Abteilung Social Media/Innovation, und da unsere Ausstellung ausschließlich Kopien aus den Grabschatz Tutanchamuns zeigt, hat mich das Thema natürlich sehr interessiert. Kopien sind, so Dirk von Gehlen, bei weitem keine Erfindung der digitalen Welt. Geht man vom Alten Testament aus, so ist bereits der Mensch selbst als Ebenbild Gottes eine Kopie des göttlichen Schöpfers!
Nach dem Vortrag frage ich mich als Ägyptologe natürlich, ob auch die alten Ägypter bereits Kopien kannten, und wenn ja, warum hat man im Altertum im Land am Nil kopiert. Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns etwas mit der Kunst der Ägypter beschäftigen. Im Alten Ägypten standen Kunst und Künstler im Auftrag des Kults. Ähnliches kennen wir aus der christlichen Kunst, die über viele Jahrhunderte bis weit in die Neuzeit hinein das künstlerische Schaffen des Abendlandes geprägt hat. Kunst im Mittelalter war der Darstellung der Ideen Gottes verpflichtet. Der Künstler war lediglich das ausführende Medium, durch welche die ewige, natürliche Ordnung der Dinge sichtbar gemacht wird. Daher kann laut Ansicht von modernen Kunsttheoretikern im Mittelalter weder von einer Autonomie der Kunst noch von dem Eigentum des Künstlers an seinem Werk gesprochen werden. Diese Situation ändert sich in der Zeit der Renaissance, in der die Meister eines Werkes mehr und mehr hervortreten.
In Ägypten werden in der Kunst durch die strikte Einbindung in den Kult, genauer: in den Götter- und Totenkult, stetig wiederkehrende Bildmotive hervorgebracht. Sie sollen, ähnlich wie in der mittelalterlichen Kunst, Symbole und Bilder der Ewigkeit und der göttlichen Ordnung abbilden. Dies geschieht im Rahmen des altägyptischen Begriffes der „Maat“. Maat bedeutet so viel wie göttliche Welt-Ordnung, Richtigkeit. Die ägyptischen Motive der Bilder-, Statuen- und Reliefkunst sind somit keine Erfindung ihrer Hersteller. Sie müssen einer überzeitlich gültigen Maat entsprechen. Trotzdem ist natürlich der jeweilige Zeitstil erkennbar, der den Kunstwerken einen ganz besonderen Reiz verleiht. Und selbstverständlich gibt es „Qualitätsunterschiede“!
Ramses vierfach
Wer möglichst viele Stauen von seiner Person besitzt, und wessen Namen auf Statuen und in Inschriften existiert, lebt. Ramses II. sitzt seit 3.250 Jahren in vierfacher Ausführung als 21 Meter große Kolossalstatue am Eingang des berühmten Felsentempels von Abu Simbel. Es ist jenes Heiligtum, das vor etwa einem halben Jahrhundert fast im Stausee von Assuan untergegangen wäre und mit großem internationalem Aufwand gerettet werden musste. Diese Aktion führte letztlich zu einer weltweiten Berühmtheit des Königs.
Eine der beiden linken Figuren an der Tempelfassade von Abu Simbel wurde bereits im Altertum durch ein Erdbeben zerstört. Die vierfache Ausfertigung bzw. Präsenz von Ramses in seinen über 20 m hohen Königsstatuen ist damit nicht nur eine Verstärkung der mythischen Präsenz seiner königlichen Macht – die Vervierfachung hat sich ganz praktisch als Sicherung für die Ewigkeit herausgestellt. Dies ist ein Beispiel von vielen im ägyptischen Statuenkult. Nicht nur Ramses II. ist dafür bekannt, dass er Statuen seiner selbst in Serie anfertigen ließ. Auch der in Prunk und Pracht regierende König Amenophis III., der Großvater von Tutanchamun, ließ ganze Serien von Statuen aufstellen. Durch Kopieren haben ägyptische Könige das erreicht, was sie wollten: Unsterblichkeit! Hätten die Ägypter die heutige Technik des (Stein-)Abgusses für Großplastiken gekannt, sie hätten sie mit Sicherheit angewendet! Vielleicht würden wir heute dann nicht nur eine Fülle an Kopien einfacher Kunstwerke haben, sondern auch einiges an Meisterwerken ägyptischer Kunst, auch von heute mehr erhaltenen Werken, weil deren Originale irgendwann verloren gegangen oder zerstört worden sind.
Kopieren von altägyptischen Kunstwerken ist somit durchaus im Sinne der altägyptischen Erfinder. Es ist vom Standpunkt der Ewigkeit geradezu erwünscht! Die Ägypter bekräftigen zudem in den über Jahrhunderte in Tempelschulen immer wieder neu kopierten Lehren, wie wichtig es ist, altenehrwürdige Vorbilder zu achten und das Gute, das sie für das Land gebracht haben, zu wiederholen. Denn nur so bleibt die Welt im Gleichgewicht.
Herzlichst,
Euer
Dr. Wolfgang Wettengel
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