Am 6. März 1930, als Howard Carter immer noch dabei war, die über 5200 Objekte aus dem Grab Tutanchamuns zu bergen, schrieb ein berühmter deutscher Schriftsteller, der sich damals gerade in Luxor aufhielt, voller staunender Bewunderung:
„In den Märchen gibt es, Sonntagskindern erreichbar, Zauberwiesen auf dem Grunde tiefer Brunnenschächte. Solch ein Brunnenschacht ist die menschliche Vergangenheit, und solch eine Zauberwiese ist dies Land…“
Dieses Land ist Ägypten, und der deutsche Schriftsteller, dessen Eintrag mein Basler Kollege Dr. André Wiese vor einigen Jahren in Luxor im Gästebuch des schönen, alten Winterpalace Hotels wiederentdeckt hat, war Thomas Mann, tief beeindruckt von dem, was er auf seiner Reise sah.
Ägypten – schon vor Jahrhunderten war das alte Wunderland am Nil mit dem geheimnisvollen Nimbus uralter Weisheit umgeben. Und obwohl dieses Ägyptenbild früher mangels noch unzugänglicher schriftlicher Quellen oft nur wenig mit der Realität übereinstimmte, so dass vieles einer imaginären Vorstellung über Ägypten entsprungen war, so ist es bis heute dieses alte Wunderland geblieben. Ich denke, dass Ägyptens wiederentdecktes geistig-kulturelles Erbe, darunter seine Architektur und Kunst, die so viele Jahrtausende überdauert hat, aber auch seine Werte, die dem Land über einen enorm langen Zeitraum Identität und Stabilität verliehen haben, bis heute nichts von seiner Aktualität und Bedeutung verloren hat. Ägypten als eine Gegenwelt zur Moderne, zur Relativierung aller Werte, Hoffnung auf Humanität, die heute mehr und mehr zu verloren gehen droht.
Seine große Bedeutung für das Abendland hat Ägypten vor allem im 18. Jahrhundert gewonnen. Das Land galt in den geheimen esoterischen Zirkeln als Ort der Weisheit, Spiritualität und kultureller Blüte, aber auch als Hort des Wohlstandes, ausgestattet mit gerechten wie weisen Gesetzen von Herrschern, über welchen direkt die Ordnung der Götter stand. Zu diesen Zirkeln gehörte im 18. Jahrhundert eine umstrittene Figur wie Graf Cagliostro, aber auch der berühmte Komponist Wolfgang Amadeus Mozart, der 1784 in der Freimaurer-Loge „Zur Wohltätigkeit“ in Wien aufgenommen wurde. Wie sehr der junge Komponist von den ägyptischen Mysterienkulten beeindruckt war, bringt er in seiner weltberühmten Oper „Die Zauberflöte“ zum Ausdruck. Dieses tiefsinnige wie großartige Werk hat im 19. Jahrhundert grandiose ägyptisierende Bühnenbilder hervorgebracht. Mozarts Oper ist uns in viel Dingen bis heute ein großes Rätsel. Die Zauberflöte bezieht sich nämlich nicht auf das reale Ägypten, sondern auf ein utopisches Reich, das einst von den geheimen Mysterien der ägyptischen Göttin Isis durchdrungen war.
In Isis erkannte man in der Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution eine Gottheit, welche die Natur und ihre Gesetze in ihrer reinsten Form verkörperte. Während der Französischen Revolution wollte man in Frankreich das Christentum schließlich durch einen Kult der Natur und der Vernunft ersetzen, in dessen Zentrum eine neue Isis-Verehrung stehen sollte. Höhepunkt war die Einweihung des „Brunnens der Erneuerung“ im Jahr 1793, bei dem das regenerierende Wasser aus den Brüsten der thronenden Göttin strömte.
Die Götter Ägyptens – sie waren und sind bildlicher Ausdruck der geheimnisvollen, im Verborgenen waltenden Elementarkräfte der Natur, deren Macht weit über uns Menschen steht.
Die Entzifferung der Hieroglyphen, die nur dreißig Jahre später dem jungen Franzosen Champollion gelang, brachte Licht ins Dunkel der Vergangenheit. Auch wenn wir heute über vieles genauer Bescheid wissen und wenn einiges entzaubert wurde, so möchte ich als Ägyptologe das esoterische Ägypten, das uns im Abendland so vieles gegeben hat und immer noch gibt, mit dem Dichter Rainer Maria Rilke nicht missen. Für ihn sind die Götter geblieben:
„Keiner der Götter vergeh. Wir brauchen sie alle und jeden, jedes gelte uns noch, jedes gestaltete Bild.“
Herzlichst,
Euer
Dr. Wolfgang Wettengel
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